DIE SUFI-SCHULE DER LIEBE

Steff Steffân

 

DIE SUFI-SCHULE DER LIEBE

Dank sei Dem, Der der Dankende ist. Ohne Seinen Dank wäre dieser Dank nicht. »Als der Diskurs zum Thema der Liebe kam, zerriß das Papier – und die Feder zerbrach.« Der Sufidichter Rumi

Die Menschen haben sie satt: die Exklusivität ihrer Verstandesneurose, denn die »Vernünftigkeit« hat ihnen nichts denn Bitterkeit erbracht. Ihr Herz blieb bestenfalls »Privatvergnügen«, etwas, das man nicht zeigt, auch wenn man es vielleicht noch »hat«. Die Sufimethode will etwas ganz anderes: Das Herz wird zum Hauptschau- und Begegnungsplatz. Nur aus dem Herzen entspringt ein verfeinertes Leben, denn nicht der Verstand, sondern das Herz ist für den Sufi der höchste göttliche Schatz. Es ist ein »unentdeckter Kontinent«, den auszuforschen, auszuschöpfen der Menschheit insgesamt eine neue Dimension, einen neuen Horizont der Tiefe zu eröffnen verspricht.

INHALT VORWORT EIN KLEINER HINWEIS ZUR WARNUNG WAS SUFIS WAREN UND SIND I HERZENS-BEWUSSTSEIN Die erste Herzens-Erkenntnis • Die Teile und das Ganze • Privatvergnügen • Anstoß durch den Atem • Die HerzensEntscheidung • Verbindung zum Herzen • Befragung des Herzens • Das Sprechen mit dem Herzen als Lebensprinzip II JUSTIERUNG DES HERZENS Das Herz als Sender und Empfänger von Liebe • Der Rhythmus des Herzens • Empfang von Herzlichkeit • Das Sufifüllhorn der Liebe • Das Auge des Herzens • Die rechte Einstellung zum Herzen • Essenzen zum Wohle des Herzens • Die rechte Fährtensuche • Das Ziel des Empfan-gens und des Sendens von Liebe • Die Lasten abwerfen III DER KÖRPER UND DAS HERZ Ein kleiner Klumpen Fleisch im Körper • Die rechte Haltung im Schlaf • Der rechte Sitz für Meditationen • Die Fingerhaltung der Liebe • Der rechte Gang eines Sufis • Die beste Pflege für die Zunge • Auch Beine wirken mit an der Liebe • Der Liebesweg der Augenlider • Die besten Herzens-Finder • Der klarste HerzensSpiegel • Das Zählen mit den Fingern • Die beste Entlastung des Herzens

IV DIE RECHTE NAHRUNG FÜR DAS HERZ Krankheit auf dem Weg zum Herzen • Das Herz ißt mit • Die Schuhe ablegen • Der umgekehrte Löffel • Der Herzensspruch zum Essen • Das Essen mit den Fingern • Die Höflichkeit zur Mitte hin • Der entscheidende Punkt beim Essen-Ein-nehmen • Die sufische Einleitungsformel • Alles geben • Was wird gegessen?• Das Essen austeilen • Die Fastenpflicht als beste Herzens-Medizin • Wovon und wann gefastet wird • Das Herz zum Lachen anregen• Dank sagen V DIE BESTE HERZENS-KLEIDUNG Die Wolle im Sufitum • Der Grund der Bedeckung • Die Arten der Bedeckung • Die Haar- und Kopfbedeckung • Die Arten der Kopfund Haarbedeckung • Der Sufi-Derwisch-Mantel • Die HerzensPantinen • Auch Männer tragen Kleider • Des Sufis Perlenkette VI DIE REINIGUNG DES HERZENS Das Herz als Organ der geistigen Wandlung • Die Sufi-Politur des Herzens • Der sufische Sikr • Die rechte Beschleunigung für die Liebe, das Leben und die Göttlichkeit • Die sufischen AnrufungsFormen • Die Waschung und Erfrischung • Der Liebestanz der Sufis • Übereignung und Überschreibung • Sich einem Lehrer anvertrauen • Almosen geben • Das Geben von Besitz zum Zweck der Liebe • Bereuen • Verzichten VII DES SUFIS HERZENS-HÖFLICHKEIT Über Liebe und Form • Das Sinnbild der Rose • Die Liebe ist »Unter den Füßen der Mütter« zu finden • Siebzig Entschuldigungen finden • Für andere um Verzeihung bitten • Geschenke überbringen • Der Liebestausch im Unsichtbaren • Die Herzens-Einkehr • Herzens-Verzahnung • Eins und Derselbe

VORWORT Mehr als zweieinhalb Jahrtausende bewußt gestaltete Übung des Verstandes ist das Erbe der abendländischen Geschichte, doch jede Übung des Herzens, die eine unbestrittene Krönung der Spezies Mensch bedeuten könnte, fehlt. Der Mensch hat in dieser Entwicklung immer wieder versucht, die »streunende« Seele zu zügeln, zum Beispiel durch Askese, doch das eigentliche »Organ« der Liebesschulung hat er methodisch verfehlt. Er hat sich mit Hilfe von Ethik und Moral sowie religiöser Praxis »gefesselt«, doch die Herzens-Sprache* der Erlösung hat er, abweisend und ignorant, bewußt nicht gelernt. Sein Egoismus steht seinem eigenen Herzen im Wege. Eine Schulung der Herzlichkeit – des »Herzentums« – kam bisher nicht zustande. Die Sprache des Herzens gilt immer noch als verpönt. Der »cardiale Gestus« (der Ausdruck des Herzens) ist insofern niemals zur Kardinalen (zur Hauptausrichtung) des europäischen Geistes geworden. Eben das ist es, was den empfindsamen Menschen von heute ausdauernd und heftig quält, denn allein auf den Verstand gestellt kann der Mensch seine Welt letztlich nur zerstören; es sei denn, er würde als »homo lucens« (als »leuchtender Mensch«) doch noch von seinem eigenen Herzen erhöht. Zu diesem Zweck ist diese kleine Einführung in ein klassisches Verfahren der Herzensentwicklung geschrieben; in ein Verfahren, neben dem kein anderes, sofern es denn überhaupt ein anderes gibt, was den bewiesenen Erfolg betrifft, bestehen kann. Dieses Verfahren, die Sufi-Schule des Herzens, wurde seit Jahrtausenden (und wird * Die ungewöhnliche Schreibweise »Herzens-Sprache« verwendet der Autor, um
in diesem Buch die Aufmerksamkeit des Lesers in einer Art paradoxen orthographischen Intervention immer wieder auf alle möglichen »HerzensZusammenhänge« (sic!) zu lenken.

auch heute noch) von Millionen von Menschen angewendet, getestet, geprüft und gelehrt. Kein Wunder, daß selbst Erich Fromm als einer unter vielen die Sufi-Schule der Liebe als Schulungsprogramm zum Erlernen der Kunst der Liebe empfiehlt. Aus Oberösterreich, im Frühling 1992, wünscht Ihnen Liebesglück: Der Autor

EIN KLEINER HINWEIS ZUR WARNUNG Die Übungen dieser Schrift entstammen einer der ältesten geistigen Traditionen. Es handelt sich um Übungen aus einem gesicherten Kontext. Dennoch sollte man einen gewissenhaften und keineswegs leichtfertigen Umgang mit den gewählten Übungen pflegen, denn das Herz ist sensibel. Allen klinisch herzkranken und kreislaufschwachen Menschen möchten wir dieses Übungsgut ausdrücklich nur nach ärztlichen Konsultationen empfehlen, vor allem, wenn das Herz rhythmisch gestört ist. Dem gesunden Herzen jedoch wird diese kleine Schrift die beste Herzens-Führung geben.

WAS SUFIS WAREN UND SIND Die Sufis werden schon im Alten Testament in einem Atemzug mit den »Sehern« erwähnt. Sie sind als »Mystiker im Wollgewand« bekannt, die gottestrunken tanzen. Ihr Reden ist häufig poetisch. Ihr geistiger Weg wird von vielen als »Pfad der Liebe« und »Weg der höchsten Erkenntnis« bezeichnet. Die Reinigung (ihrer selbst) ist ihr Lebensprinzip. So daß sie letztendlich »Durchschienene« sind – die Stützen der Ethik – vollkommene Menschen. Für sie ist diese Welt nur »eine Durchgangsstation«. Aus diesem Grunde verschenken sie sich. Und läutern beizeiten ihr Herz ...

DIE ERSTE HERZENS-ERKENNTNIS Werden Sie sich Ihres Herzens gewahr! Das ist der Beginn des Herzens-Weges: zu wissen, daß es ein Herz – Ihr Herz! – in Ihnen gibt, daß Sie ein Herz »besitzen«. Ein Herz wird niemals alt. Der Herzens-Mut besteht aus Frische. Ein Herz ist im Innersten lebenslang jung. »Das wahre Menschenherz ist nicht von dieser Welt. Es ist als Fremdling [nur] zu kurzer Wanderung in diese Welt gekommen.«

I HERZENS-BEWUSSTSEIN

Wie ein Sufi-Meister (Algasel) dazu treffend bemerkt: Herzlich wird, wer sein Herz täglich übt. Sonst überzieht der Rost entstanden durch mangelnden Gebrauch - diesen kostbaren Muskel der Liebe; das Herz verhärtet sich.

DIE TEILE UND DAS GANZE Ein Mensch ist geteilt sowie zugleich ein Ganzes. Der Mensch ist ein Brennpunkt von Erfahrungen. Wenn es im Menschen außerhalb des Herzens »brennt«, so erfährt sich dieser als getrennt, alles »Brennen« im Herzen erweckt die menschliche Ganzheit. Im Herzen wartet Überfülle, die als Ganzheit das Sein des Menschen umfaßt. Sie ist einem elektrischen »Strom« vergleichbar, der überspringt, wird er bewußt und durch »Zufall« entdeckt. Sie ist einer Sprache vergleichbar, die wortlos, bedeutungslos und ungehemmt »spricht«. Es ist die Sprache der Ganzheit. Sie geschieht, wenn das Ganze zu seinen eigenen Teilen spricht. Sie überflutet jedweden einzelnen Aspekt. Das einzelne »Stück« des Lebens wird stumm. Jede »Rolle« des Menschen verbirgt sich. Die Majestät der Liebe erschrickt! Ein jedes Wehwehchen verliert sich. Der Aufruhr in der Seele flieht. Der Segen verströmt sich - gegen den »Krieg«. Das Herz - die Liebe - blendet mit Licht. Das Abgesonderte, Getrennte ergibt sich.

PRIVATVERGNÜGEN Es ist allgemein bekannt, was die »privaten Teile« und wofür diese gut sind. Unbekannt ist, welches die »privatesten« sind. Es sind die Seele – und das Herz. Die Seele ist Drangsal – durch Wünsche und Begehren. Im Herzen wirkt Vergnügen. Privatvergnügen ist das Herz. Doch der Zutritt scheint »verboten« und »schwer«. Die Frage ist: Wie sehen die »Pforten« aus? Wo sind sie? Wie ist der »Eintritt« geregelt? Wie vergnügt man sich im Herzen? Wie ist man mit dem Herzen vergnügt? Wie überläßt man sich dem Herzen? Welche Gefahr, welche Ablenkung droht? Wie lenkt man die Ströme des Herzens? Was tut man, wenn der Herzens-Strom wieder einmal versiegt? Wie »konserviert« man die Schätze des Herzens? Wie kommt die Liebe im Herzen in Not?

ANSTOSS DURCH DEN ATEM Das Herz, das spricht, folgt dem Anstoß durch den Atem. Der Atem kommt als Flut. Die Sufis nennen dieses Ereignis »Geist« – oder »Ruuch«. Die Öffnung des Herzens bewirkt, daß der Atem den Atmenden erfrischt. Durch erfrischenden Atem wird die Liebe gekühlt. Durch erfrischenden Atem wächst der Liebe Umfassungsvermögen. Denn geballte, schmerzende Liebe tut keineswegs gut. Hier eine erste kleine Übung für Sie. Sie dient dem Erlernen der Liebe: Atmen Sie, mit jeweils einem sanften Ruck, dreimal ruckartig stoßweise durch die Nase ein. Der dritte Teil des Atemzugs muß bis zum Herzen reichen. Lassen Sie ihn lange sein! Spüren Sie die Grenze und Abwehr - das Bollwerk - Ihres Herzens! Atmen Sie auf die gleiche Art ein zweites Mal ein. Bringen Sie den Atem näher und näher zum Herzen! Atmen Sie ein drittes Mal auf die gleiche Weise ein. Nur tun Sie es dieses Mal als »Liebes-Akt«! Lieben Sie den körperlichen Widerstand! Versuchen Sie, trotz Herzens-Druck sanft und leicht (!) weiterzuatmen. Bis daß Ihr Atem und Ihr Herz in einem vereint werden...

DIE HERZENS-ENTSCHEIDUNG Nach Auffassung der Sufis sind im Herzen alle göttlichen Berauschungen enthalten. Es ist des Menschen Schatzkammer. Äußere Drogen sind der Sufi-Auffassung zufolge »Rauschmittel für Ignoranten«. Herzens-Schüler sind in der Tat Aspiranten göttlicher Berauschungen! Sie wollen überflutet werden. In der Liebe zu baden, ist ihr Triumph. Ekstasen sind ihnen Weg-Zehrung. Sie sind bestrebt, im Herzen »schwimmen zu lernen«. Doch Herzens-Genuß muß man lernen, wie man Geigespielen lernt. Nur selten sind die Autodidakten, die Gott, der göttliche Erhabene, lehrt. Zuerst: Ihr Herz muß zum Mittelpunkt Ihres Lebens werden! Bestehen Sie darauf! Formulieren Sie – schriftlich – Ihre HerzensEntscheidung. »Ich, ..., habe mich für den Weg des Herzens entschieden! Mein Herz ist mir von heute an Festung. Mein Herz ist mein Mittelpunkt. Mein Verstand wird ab sofort dem Herzen zuarbeitend dienen. Ich setze die Vorherrschaft meines Verstandes bis (wir empfehlen hier mindestens drei mal vierzig Tage) zum ... (Datum) aus! Ich bin bereit, die Stimme meines Herzens zu hören und gebe mich bewußt dem Ruf meines Herzens hin. Datum, Ort und Unterschrift: «

VERBINDUNG ZUM HERZEN Ihr Vertrag mit Ihrem Herzen ist nun perfekt. Ihr Lebensbund mit dem Herzen ist neu entdeckt: Ihr Wunsch, aus der Quelle des Lebens zu leben, nicht weiter aus dem »Stau«, dem »vergifteten Fluß«. Es gilt, den Bund mit dem Herzen zu pflegen: durch regelmäßige Konsultation. Der Sufi neigt sich dem Herzen auf folgende Weise zu: 1. Der Kopf »hängt« zur linken Seite der Brust. 2. Das Ohr »hört« zum schlagenden Herzen hin. Wenn es möglich ist, gehört dazu der folgende »Sitz«: 3. a) Die Schultern werden hängengelassen b) Die Beine sind untergeschlagen c) Die Augen sind geschlossen Kauern erweicht selbst das härteste Herz!

Der Sufi-Sitz des »Henens-Pakets«

BEFRAGUNG DES HERZENS Das Herz gibt Antworten, wahrend Ihr »Ich« kritisch-vorsichtig fragt. Lehren Sie Ihr Ich, sich an Ihr Herz zu wenden! Beobachten Sie, wie Ihr Ich erst einmal beim Verstand Rat zu holen sucht. Ihr Bewußtsein von diesem Vorgang bedeutet zunächst einmal schon viel! Seien Sie geduldig bei diesem neuen »Spiel«! Beobachtung ist der halbe Erfolg. Sie werden Ihr automatisches »Ich« im folgenden noch lenken lernen. Locken Sie Ihr Ich bewußt zum Herzen hin, denn der Prozeß Richtung Verstand ist eingespielt. Doch Achtung hier! Die Falle ist der Schmerz. Es »droht« Gefühl vom inneren Herzen: die »Überwältigung«, die alles Ich verschlingt. Das Ich jongliert daran vorbei! Es umgeht das Herz mit beinahe vollkommener Kunst. Es umschleicht gekonnt das Herz - und dann geht es wie gehabt zur Ratio aufwärts... und die faßt ungeniert und bestimmt zu. Die echte Befragung des Herzens bedingt: 1. die feste bewußte Absicht dazu; 2. die Neigung des Ohres (auch physisch!) zum Herzen hin; 3. das Hören des Herzens mit dem linken Ohr; 4. die Umwandlung der Herzens-Sprache (in intellektuelle, deutliche Sprache); 5. die Anerkennung der vermittelten Bedeutung. Punktum. Was diesen letzten Punkt betrifft: Keine Ausreden zulassen. Die Bedeutung nicht wieder abschwächen lassen! Die Bedeutung noch einmal überdenken!

DAS SPRECHEN MIT DEM HERZEN ALS LEBENSPRINZIP Die Sprache des Herzens ist einfach und subtil. Alles Komplizierte läuft dem Herzen zuwider. Der Intellekt – verstrickt in Egoismen – ist für den Herzens-Trieb zu lahm. Das Herz ist direkt. Es wählt den kürzesten Weg. Ausreden machen es krank. Es will immer nur –schnurstracks– auf die Liebe zugehen. Die Herzens-Vision ist zugleich Zentrum und Ziel. Wenn Vernunft und Sinne »Wellen« sind, die für uns »vor uns versammelt sind« (so Rumi), so ist die Daseinsart des Herzens ein Strahl! Das Herz macht einfach »Päng«! Und wir – lassen uns betroffen treffen – oder nicht. Der Mensch ist eingeübt, darüber hinwegzusehen. Die Sprache des Herzens ist dicht. Herz heißt »Willkür autonom«. Dichter als Gedicht. Ein Befehl zum Wesentlichen und ein Akt des Auslöschens: Die Meinung, das seelische Streben, der Eigennutz des Ichs können dem Herzen nicht standhalten. Lernen Sie, die Sprache des Herzens für Ihr gesamtes Leben zu übernehmen. Ihr Leben wird so zur täglichen Überraschung. Ein fortwährender Schöpfungsakt wird dann Ihr tägliches Leben gestalten. Und auch Ihr nächtliches. Wir werden Ihnen nach und nach die Methode zur Integration dieses (primären) Sprachtriebes vermitteln. Wir werden Sie lehren, sich diesem »Motor« völlig zu ergeben.

DAS HERZ ALS SENDER UND EMPFÄNGER VON LIEBE Das Herz ist Sender und Empfänger zugleich. Sein Sinnes-NervenApparat ist kolossal. Das Herz ist die Lebensbatterie für jeden Menschen. Leben, Tod und Liebe ist das, was das Herz zum anderen Herzen hin ausstrahlt. Von Herz zu Herz –Herzlichkeit– doch auf die »Frequenz« kommt es an, denn diese (drei) Programme interferieren. Sie stören sich beim Senden und Empfangen. Ein ungeübtes Herz wird Taubheit, Dumpfheit, Tod ausstrahlen. Doch die Liebe darunter drängt. Das Leben möchte sich ausdrücken! Es ist wie ein Keim, den die Erde bedeckt. Die Liebe möchte sich entfalten. Doch sie wird vom schwarzen Vorhang der Resignation verdeckt. Zur Herzens-Sendung bedarf es des Muts, denn Liebe macht uns verletzlich – wir können uns nicht bedecken. Zu lieben heißt zu wagen, den Schmerz der Liebes-Wirren zu ertragen. Lieben heißt ausgeliefert sein, ohne zu klagen. Zu lieben heißt, als Gipfel und Massiv aus den Totengräbern einer Gesellschaft von lebendigen Toten herauszuragen! Doch jeder Empfänger und Sender muß eingestellt werden. Darum justieren Sie die Liebe. Am besten folgendermaßen: Bemühen Sie sich, die Liebe in Ihrem Herzen zu finden. Sie ist wie ein lokalisierbarer und dennoch flüchtiger innerer Ort. Versuchen Sie, die Liebe »festzuhalten«. Wenn sie »entkommt«, »ergreifen« sie diese erneut. Versuchen Sie, ins Innere dieses Liebesfeldes einzudringen. Verkleinern Sie den »Ausschnitt« davon. Und begnügen Sie sich mit dem wenigen. Die Dauer hierfür: vier Minuten. Versuchen Sie, Ihr Herz ein zweites Mal zu »zoomen«, bleiben Sie an dem jetzt kleineren Brenn-»Punkt« der Liebe. Die Dauer hierfür: drei Minuten.

II JUSTIERUNG DES HERZENS

DER RHYTHMUS DES HERZENS Das Protoplasma begründet den Rhythmus des Herzens und insgesamt des Menschen. »Ein« – »Aus« / »Eins« – »Eins« ist der einfachste Rhythmus oder Wechselschlag unseres Herzens. Ich bitte Sie, Ihren Puls zu fühlen. Wir werden nun die Resonanz des Herzschlags mit Herz und Zunge üben: l . Die Lippen sind geschlossen. 2. Die Zunge liegt (oben) unter dem Gaumen. 3. Sie sind auf Ihr Herz konzentriert! 4. Sie summen im Rhythmus des Herzschlags. Präzise und synchron! 5. Ihr Herz summt/vibriert mit. Diese Übung dauert zehn Minuten. So intensiviert man diese Übung: im Doppelschlag-Rhythmus des Herzens: l . Lippen-Zungen-Herz-Haltung wie oben. 2. Der Rhythmus ist 1-2-3-4. 3. Bei »l« wird durch die Nase - stimmhaft - ausgeatmet. 4. Bei »2« wird –kurz!– durch die Nase stimmhaft eingeatmet. 5. Bei »3« wird stimmhaft ausgeatmet. 6. Bei »4« wird tief und stimmhaft eingeatmet. Auf den exakten Rhythmus ist zu achten. Die Dauer dieser Übung: Täglich regelmäßig 3 oder 7 Minuten.

Die Stimme und das Bewußtsein mit Ihrem Herzen zu synchronisieren, ist der Beginn für Ihren herzstarken Weg. Die Synchronisation von Herz und Verstand ist der Weg zum Wesen des Menschen schlechthin.

EMPFANG VON HERZLICHKEIT Allein das reine Herz ist empfänglich. Reinheit ist das »A« und »O«. Die Art der Reinigung wird weiter unten verständlich. Hier geht es um den Reinigungs-Grad, denn die Sprache des Herzens und das Begehren der Seelen vermischen sich. Der Verstand mischt sich nur allzu gerne ein. Aus diesem Grund ist die ausschließliche Konzentration auf das Herz für den Erfolg der vorgestellten Methode so wesentlich. Bei Herzens-Konzentrationen tun Sie nichts sonst! Und nehmen Sie Ihr Herz (zuerst einmal) als Ihre Geliebte! Wenn es denn hilft: als den Geliebten. Das Geliebte. Da auch die Liebe die Liebe benötigt...

DAS SUFI FÜLLHORN DER LIEBE Mit dem Herzen sehen lernen – aber auch schmecken, tasten, fühlen, riechen –denken– . Alles zusammen wird zu einem wahren Füllhorn der Liebe. – Bei rechtem Gebrauch. Denken, fühlen, nehmen Sie wahr: vom Herzen aus! Trainieren Sie Ihr Herz als einen allumfassenden Sinn! In jeder neuen Situation, zu Beginn jeder Kommunikation – gehen Sie zuerst zum Herzen! Probieren Sie es. Studieren Sie es, denn Übung macht auch hier den Meister. Begreifen Sie alles Erleben als ein –auch– körperliches Symptom! Lernen Sie, den Strom Ihres Erlebens zu lenken. Erspüren Sie immer wieder Ihr Herz. Und machen Sie es zum Brennpunkt Ihrer Aufmerksamkeit. Leiten Sie Ihr >Ich< zum Herzen hin. Machen Sie Ihr Herz –auch für das Ich– zum zentralen Punkt aller seelischen Operationen. Hier eine weitere Übung zur Stärkung der Konzentration auf das Herz: 1. Verschränken Sie die Arme... 2. oder halten Sie die Arme wie auf der nebenstehenden Abbildung 3. Dann spannen Sie die über dem Herzen gelegenen Brustmuskeln an. 4. Eine leicht empfundene Spannung genügt! 5. Spannen – und entspannen Sie die betreffenden Muskeln. 6. Doch ohne jede Gewalt! 7. Und lernen Sie, die so entstehende gefühlsreiche Spannung andauernd zu nutzen...

DAS AUGE DES HERZENS Das Geheimnis des Herzens ist reines Sein, ist Existenz pur. Die Verdichtung der Liebe oder auch die »Kulmimierung der Freuden«, wie es ein Sufi-Lehrer formuliert hat. Algasel und Augustinus sahen durchs Auge des Herzens den »Herrn«. Herz heißt: neues Sehen lernen. Schauen mit dem Leben selbst, mit jedem Sinn die Herzens-Verbindung zu pflegen. Das vibrierende Herz zu erregen. Die Einheit der Menschheit zu segnen. Differenzierung ist dem Herzen tabu. Das Herz macht aus allen Schattierungen eins. Das Herz deckt die Vielheit zu. Es sagte der »Sultan des Herzens« (Rumi) dazu: »Wie ein Stern durch Sonnenschein verloren geht... und ihm nicht Ort, nicht Spur auf allen Milchstraßen verbleibt, so werden auch alle Sinne und Reden im Licht des Königs-Wissens ausgelöscht!«

DIE RECHTE EINSTELLUNG ZUM HERZEN Der Moment kurz vor der Trauer, der Augenblick vor dem Schmerz – das sind die rechten Momente des Herzens, denn die Freude liegt kurz vor der Trauer, die Ekstase kurz vor dem Schmerz. Die Kunst ist, in diesen Momenten zu verweilen, das Maß zu halten; nicht überzuborden. Das »Maß« ist: den ersten Impuls des Herzens wahrzunehmen und darin zu bleiben. Nicht, dieses zu quälen. Bei der geringsten Reaktion, beim kleinsten Impuls des Herzens: HALT! Und dann das Ausschöpfen dieser »Winzigkeit« lernen. Der »Tropfen« wird auf diese Art zum »Meer«. Den Herzens-»Ozean« kann nur der kleinste »Tropfen« erzeugen. Das ist die königliche Art, denn das Herz ist das schier Unbegreifliche, dessen kleinster Genuß bereits überwältigt. Grobheit nützt der Herzens-Arbeit nicht. Sublime Kunst ist rechte Herzens-Arbeit, und der Taumel ist die Folge von einem ersten wahren Herzens-»Kuß«.

ESSENZEN ZUM WOHLE DES HERZENS Zur Förderung der Empfänglichkeit des Herzens gehört, Parfüme oder Essenzen auf die Stelle des Herzens zu geben. Ein leichtes Einreihen über dem Herzen genügt. Amber, Moschus, Jasmin, Veilchen, Sandel und vor allem die Rose sind als Herzens-Öle gut. Von großer Bedeutung jedoch ist dabei: nur garantiert natürliche Essenzen zu nehmen, denn die Liebe der Natur stimuliert auch die Liebe des Herzens.

DIE RECHTE FAHRTENSUCHE Ein jedes Herz folgt einer Fährte, einer Spur. Sie ist des Menschen Mitgefühl. Allein auf dieser »Spur« wird Herzens-Wirken spürbar. Mitgefühl bedeutet: mit anderen Wesen zu fühlen. Wahres Mitgefühl heißt fühlen mit sich selbst, denn »zu lieben heißt, vor dem Geliebten zu stehen.« So hat es ein Sufi namens Hallaj formuliert. Ein anderer (der Sufi Rumi) kommentiert: »sein >Ich< vor dem EINEN verbrennen!« Der »Geliebte« (»EINE«) ist das Selbst. Zu lieben bedeutet demnach: sich selbst vor sich selbst zu bekennen. Und eben das macht ohnmächtig. Wer dieser Spur folgt, vergeht. Er sieht sich selbst als ärmlich. Auch wenn er noch so rühmlich wirkt. Abgrenzung dagegen verschließt das menschliche Herz, Egoismus macht es »tot«. Darum suche das Mitgefühl, wenn zum Herzen es dich drängt, denn im Mitgefühl findet man die ansonsten verborgene Öffnung im Herzen. Wenn es auch absonderlich klingen mag: Immer, wenn Sie einen Menschen sehen, sprechen Sie (innerlich) diesen Satz zu sich selbst: »Dort stehe, sitze, gehe - und handle - ich selbst!«

DAS ZIEL DES EMPFANGENS VON LIEBE Die Herzens-Arbeit fällt dem schwer, der allzusehr an Äußerlichkeiten hängt, denn die Liebe ist wie das Schwimmen in einem Fluß. Die Ufer müssen dem Schwimmenden weichen. Zu lieben bedeutet, daß der Liebende alle Formen verläßt. Zu lieben bedeutet, daß der Liebende sein »Ich« hinter sich läßt. Dessen »Gewicht« ließe ihn in der Liebe »versinken«, denn das »Ich« ist ein »Kann«. Und die Liebe ein »Muß«. Das Ich zu halten und zugleich zu lieben, ist unmöglich! Vom Sufi Sidi Ali’ al-Jamal aus Fez haben wir den folgenden Hinweis erhalten: »Sage nicht: >Ich bin nichts< Sage nicht: >Ich bin etwas!< Sage nicht: >Das geht mich etwas an!< Sage nicht: >Das geht mich nichts an!< Sage [einfach]: >Gott< Und du siehst Wunder!« Dieses Unaussprechliche der Liebe ist Gott! Die Liebe selbst - wie auch der Liebende. Nicht so sehr die Frage, wen du denn liebst, ist für dich so groß und übermächtig, sondern, wer denn da (das Lieben in dir) liebt. Das allein macht dich so ohnmächtig!

DIE LASTEN ABWERFEN Ohne Freiheit zu lieben ist unmöglich. Gebundene Liebe gibt es nicht. Den es zur Liebe drängt, muß Bindungen aufgeben. Ansonsten hält die Welt ihn fest. Listen Sie auf: Woran sind Sie gebunden? Lösen Sie, so weit es irgend geht, alle (zumindest überflüssigen) Bindungen auf! Das Herz benötigt keine tausend Zügel, die es als unbewegliches Objekt »vertäuen«. »Sach«-Zwang mag ein Menschenherz nicht. »Zeit-Not« belebt ein totes Herz nicht. Geben Sie dem Herzen Zeit! Machen Sie den Raum seiner Beweglichkeit groß, denn es brennt darauf, Eroberungen zu machen. Es schüttet seine - unendliche - Liebe nur allzu freiwillig und bedingungslos aus. Doch Sie halten es mit Bedingungen in einem »Käfig«. Sie nennen es »meinen Beruf«, »die Karriere«, »mein Haus«. Wir raten Ihnen: Entfernen Sie die Gitterstäbe dieses Luxus-Gefängnisses um Ihres Herzens willen, denn allein Ihr Herz führt Sie auf Ihren erfolgreichsten Weg.

III DER KÖRPER UND DAS HERZ

EIN KLEINER KLUMPEN FLEISCH IM KÖRPER »Wohlan, gibt es einen kleinen Klumpen Fleisch im Körper. Ist dieser gesund, ist der Körper als ganzer gesund. Wohlan, ist dieses kleine Stück das Herz.« Die Sufi-Weisheit besagt, daß das Herz für die Gesundheit des Körpers als ganzem verantwortlich ist. Die Herzens-Pflege steht konsequent im Mittelpunkt ihrer Methode. So werden die Sufis auch »Jene, die Herzen haben« genannt. Herzweh ist Körperweh. Und umgekehrt. Reizbarkeit zum Beispiel ist Herzens-Abwehr. Und Herzens-Abkehr! Das Herz des Menschen ist dann bedeckt. Die Reizbarkeit vergeht, wenn Herzlichkeit eröffnet wird. Das Herz ist das Zentrum des Körpers, das diesen königlich regiert. Beide befinden sich in einem Wechselspiel, das wechselseitige Achtung benötigt.

DIE RECHTE HALTUNG IM SCHLAF Drei Haltungen sind es, die ein Sufi, ein Derwisch im Schlaf bevorzugt: 1. Das Schlafen auf dem Rücken 2. Das Schlafen auf der linken Seite 3. Das Schlafen auf der rechten Seite. Das Schlafen auf dem Bauch ist für jeden Sufi tabu. Die Hingabe wird (im Schlaf) auf dem Rücken geübt. Doch am besten wird das Herz auf der rechten Seite liegend tätig. Beide Seiten des Herzens sind so nach oben und vorn hin offen. Das Herz wirkt unbeschwert. Im weitesten Räume vermag es zu pochen.

DER RECHTE SITZ FÜR MEDITATIONEN Der Derwisch neigt den Kopf zum Herzen. Er sitzt auf dem Boden auf. Ein Sitzen im »Schneider-Sitz« ist möglich. Besser ist es, zwischen den Füßen zu sitzen wie die Abbildung zeigt. Auf den Fersen zu sitzen ist ausgeschlossen, da das Herz so zugeschnürt wird. Der Sufi und Derwisch ist kauernd geneigt.

DIE FlNGERHALTUNG DER LIEBE Wer hartherzig ist, dem sei diese Hand- und Fingerhaltung empfohlen: l. Die Zeigefinger liegen –ganz leicht und angewinkelt– auf den Häuten zwischen Zeigefinger und Daumen:

DER RECHTE GANG EINES SUFIS Der Sufi neigt den Kopf zur linken (Herzens-)Seite hin, auch während er geht. Wobei die Neigung des Kopfes nur leicht angedeutet ist. Bescheidenheit und Einfachheit sind ihm auch unterwegs vertraute Tugenden. Ein jeder Schritt ist Liebes-Tun! Bewegungen sind einem Sufi wie Belohnungen durch die Liebe. Zu gehen bedeutet sich hingeben. Damit ist nicht Jogging oder ähnliches gemeint, sondern Zu-fälligkeit und Hin-fälligkeit an die Natur sind die sufische Kunst des Sufis. Der Sufi bettet sich in die Natur ein. Er gibt sich seinem Nichtigsein hin.

2. Die übrigen Finger liegen federleicht den beiden Handballen auf.

Die richtige Haltung muß man (dem Kopf-Kissen-Wenden vergleichbar) das eine und andere Mal üben.

DIE BESTE PFLEGE FÜR DIE ZUNGE Für jede Herzens-Arbeit gilt: Die Lippen sind geschlossen. Die Zunge »liegt« unter dem Gaumen. Sie schmiegt sich an die Schneidezähne. Der Meditierende/Herzens-Arbeiter bemüht sich, die eigene Zunge zu »schmecken«. Was soviel heißt, wie die eigene Zunge zu lieben.

AUCH BEINE WIRKEN MIT AN DER LLEBE Wer haßt, streckt seine Beine weit von sich und bedeckt auf diese Art die Seele. Wer liebt, macht seine Beine »krumm«. Er schlägt sie unter und verbirgt sie bei sich. Er hält sie, absichtsvoll, bei sich. Um nicht verdrossen, behäbig und selbstvergessen lässig auf andere zu weisen, denn (auch) die Knie sind subtile Organe der Liebe, um die der Sufi-Aspirant sich wohlweislich kümmert ...

DER LIEBESWEG DER AUGENLIDER Der Sufi hält die Augenlider –weitgehend– nieder, Dafür gibt es drei Gründe: Der Sufi meidet die Schäbigkeiten der Welt. Die Schönheit der Welt schwächt ihn durch Überwältigung zu sehr. Der Sufi-Aspirant vermeidet der Seele Lust und Begehren.

DIE BESTEN HERZENS-FINDER Von seinen Sinnen erfährt der Mensch mittels der Augen das meiste, sowohl außen als auch innen. Der Sufi hält die Augen zurück. Sie werden leicht nach Innen »genommen«. Die fühlbare Verbindung von Herz und (linkem) Auge wird geübt. Versuchen Sie, mit dem (linken) Auge ins Herz zu schauen. Jeweils 1/2 bis l Minute genügt.

DER KLARSTE HERZENS-SPIEGEL Als Spiegel jedes Herzens kann das Gesicht nicht täuschen. Der Zustand des Herzens wird dort »gelesen«. Verschlossenheit wie Offenheit drücken sich dort aus. Der Liebes-Große, Rumi, sagte: »Jedermann ist unter seiner Zunge verborgen.« Er meinte damit des einzelnen Seele. Das Herz spricht sich im Gesichts-Ausdruck aus. Zur Entfaltung des Gesichts und zur Entkrampfung des Herzens geben wir hier diese kleine Empfehlung: Streichen Sie mit beiden, leicht ausgestreckten Händen über Ihr Gesicht – von oben nach unten und von innen nach außen – so oft es nur geht. Mit den Fingerkuppen der beiden Mittel-Finger streichen Sie dabei sanft aber spürbar jeweils von der Mitte aus über beide geschlossene Augen. Atmen Sie derweil durch die Nase tief ein!

DAS ZÄHLEN MIT DEN FINGERN So manche Sufi-Übung verlangt eine Perlenkette zum Zählen (siehe auch weiter unten). Die Handhabung dieser Kette verschließt oder öffnet die Herzen, je nachdem. 1. Die Kette wird zwischen Daumen und Mittelfinger der rechten Hand gehalten. 2. Der Zeigefinger »zieht« die Perlen. 3. Das Schieben beziehungsweise Ziehen mit dem Daumen ist strengstens verboten (es entsteht Druck auf dem Herzen).

DIE BESTE ENTLASTUNG DES HERZENS »Füße hoch!«, so empfiehlt es der Arzt zur Entlastung des Herzens. Der Sufi beugt den Kopf nach unten. Die Niederwerfung wird systematisch gepflegt. Das Herz »hängt« schräg nach unten. Die Blutzirkulation kommt in Schwung. So leicht ist es, sich niederzuwerfen: 1. Sie stehen erst einmal gerade. 2. Die Füße sind schulterbreit und leicht nach außen gewinkelt. 3. Sie lassen sich jetzt langsam fallen. 4. Sie federn sich mit beiden Knien und beiden Händen zugleich ab. 5. Ihre Hände kommen parallel zu den Ohren zu liegen. 6. Jetzt legen Sie die Stirn und die Nase auf den –gepolsterten– Boden. 7. Sie bleiben so etwa l bis 2 Minuten liegen. Damit können Sie jederzeit Ihr Herz entlasten.

IV DIE RECHTE NAHRUNG FÜR DAS HERZ

KRANKHEIT AUF DEM WEG ZUM HERZEN Auch wer mit dem Herzen arbeitet, ist keineswegs gegen Krankheit gefeit. Durch die Arbeit mit dem Herzen können sich gar reinigende Krankheiten ergeben, denn auch die Herzensgüte, die sich durch den Kontakt mit dem Herzen ergibt, hat ihren Preis. Die »HerzensKrankheiten« sind: Die Unfähigkeit, sich zu konzentrieren Angst vor Versagen Vergeßlichkeit Freude/Ärger/Depression und übertriebene Emotion Kopfschmerzen Erbrechen Durchfall Übelkeit starke Gereiztheit Hautausschlag Migräne (zitiert aus: Hakim: Die Heilkunst der Sufis. Verlag Hermann Bauer, Freiburg, 1984). All diese Krankheiten können als Krisen bei der Herzens-Heilung auftreten. Sie sind Ventile der Selbstheilung. Deshalb gibt es keinen Grund zum Klagen!

DAS HERZ ISST MIT Die Sufi-Lehre besagt, daß nur der Herzens-Appetit den Nährwert der Nahrung bestimmt. Es heißt: »Der Bruder ißt vom Appetit seines Bruders.« Was besagen will, daß nur durch Herzlichkeit und Gemeinsamkeit beim Essen die Nahrungsaufnahme auch geistige Dimensionen gewinnt. Die ganze Stimmung wird erhöht. Darum die folgenden sufischen Regeln: 1. Alleine zu essen ist (geistig gesehen) verboten. 2. Zu zweit zu essen ist verpönt. 3. Beim gemeinsamen Mahl von mindestens dreien »essen die Engel mit«. 4. Es wird immer gemeinsam von einem (großen) Teller gegessen, wobei jeder am Tellerrand beginnt und erst zum Schluß zur Mitte gelangt. 5. Es ist keine Selbstbedienung gestattet. Mit ganzem Herzen ißt nur der, den man mit Herzlichkeit bedient.

DIE SCHUHE ABLEGEN Als Regel –zur Herzens-Entfaltung bei Tische– gilt, die Schuhe vorher abzulegen! Formalität beim Essen stört. Wer aufpassen muß, dessen Genuß ist gestört. Es gilt auch die Regel (wenn es möglich ist), das Essen auf einem ausgebreiteten Tischtuch auf dem Boden einzunehmen. Der Kontakt zum Boden fördert die Sicherheit, denn es ist überaus wichtig, daß keinerlei künstliche Distanz (durch Tische und Stühle) entsteht. Auf alles, was die Einfachheit und Verbundenheit beeinträchtigen könnte, verzichtet der Sufi.

DER UMGEKEHRTE LÖFFEL Wenn man –als Derwisch und Sufi– Instrumente zum Essen benützt, dann vorzugsweise den Löffel. Gabel und Messer sind (weil spitz und mit scharfer Schneide) verpönt. Der Löffel wird verkehrt herum (mit der Rundung nach oben) auf das Tischtuch gelegt. Dies ist ein symbolischer Akt, der ausdrücken will: Die Fehler der Brüder und Schwestern bei Tisch zu bedecken. Außerdem symbolisiert dieser Akt die Aufforderung, bei Tisch nur wenig und Gutes zu reden; ansonsten zu schweigen.

DER HERZENS-SPRUCH ZUM ESSEN Jedes Essen bedeutet Segen, wenn man unter Segen das Stillen des Hungers sowie das Vorhandensein von Nahrung versteht. Das Essen zu segnen bedeutet dagegen, über die Bedürfnisse des Körpers sowie die Gier der Seele hinaus die Konzentration des Herzens auf die nährenden Gaben zu richten. Aus diesem Grunde segnet der Sufi-Aspirant oder der Sufi seine Mahlzeiten auch, denn Segnen ist ein Ausdruck der Liebe. Er »bedient« sich dafür des Gebets, indem er sich an den Schöpfer dieser für ihn bereiteten Gaben der Natur wendet. Er anerkennt die Einheit des Lebens.

DAS ESSEN MIT DEN FINGERN Der Sufi ißt mit denselben Fingern, mit denen er – in seiner GottErinnerung – die Perlen seiner Perlenkette schiebt und zählt. Es sind: Der rechte Daumen sowie Mittel- und Zeigefinger der rechten Hand:

Der rechte Zeigefinger führt direkt zum Herzen. Das Herz wird durch diesen Finger stimuliert. Die Hände sind vorher zu waschen. Der Mund ist (einfach) auszuspülen, was eine symbolische Reinigung ist. Auch wenn man Gabel, Messer oder den Löffel benutzt: Fleisch wird immer mit den Händen gegessen. Das führt zu einem größeren Appetit.

Denn: Auch Herzlichkeit im Essen erfrischt! DIE HÖFLICHKEIT ZUR MITTE HIN »Die Mitte ist des Herzens Sieg, da es auch selber nicht am Rande liegt.« Das ist ein Sufi-Aphorismus, der auf das gemeinsame Mahl angewandt wird. Zur Mitte der gemeinsamen Tafel (zum Beispiel Reis- und Fleischtafel) hin zeigt sich die Höflichkeit und umgekehrt die Unbeherrschtheit oder Gier des einzelnen. Der Herzensstärkere ist der, der dem anderen die in der Mitte des Mahls versammelten Leckerbissen überläßt. Der Sufi oder Sufi-Aspirant nimmt von jedem angebotenen Mahl a) immer nur das kleinste oder b) das unmittelbar vor ihm liegende Stück. Die Regel gilt: Keine Aus-Wahl! Nehmen, was »kommt« jedem Angebot zufrieden sein. DER ENTSCHEIDENDE PUNKT BEIM ESSEN-EINNEHMEN Die Frage ist: Warum essen, wir? Das ist des Essens Ausgangspunkt. Wollen wir: dem Körper entsprechen? die Gier der Seele verstärken? die Depressionen bekämpfen? uns fit machen für weiteren Betrug? Oder aber das Herz für weiteren Gottesdienst stärken? Für den Weg zur Wirklichkeit, zur Göttlichkeit hin? Die Antwort für den Sufi ist: 1. Zuerst ist Essen Medizin. Es wird als solche zu sich genommen. 2. Als nächstes dient es dem Herzen. Diese Absicht wird vor dem Essen in Gebets-Meditationsform erklärt. Das Mahl soll nur dem EINEN dienen.

DIE SUFISCHE EINLEITUNGS-FORMEL »Im Namen Gottes (der Wirklichkeit), des Gnädigen, des Allerbarmers«, so lautet die sufische Einleitungs-Formel, mit der der Sufi oder SufiAspirant alles Handeln –und Denken– beginnt. In arabischer Sprache: »Bismillah ir-rachman ir-rachiem« (Der letzte Vokal wird jeweils betont!) Es ist ein Satz in einer heiligen Sprache, deren Worte –letzten Endes– unübersetzbar sind. Die Herzens-Einsicht verlangt, daß jedes Essen mit dieser EinleitungsFormel beginnt. Alles Tun soll allein der Göttlichkeit und dem göttlichen Wirken des Menschen nützen und zugute kommen. Andernfalls ißt die Negativität (der satanische Impuls) im Essenden mit.

ALLES GEBEN Was aufgetischt wird, das wird bestimmt. Die sufische Regel besagt: 1. Alles, was der Haushalt hergibt. 2. Das Beste, was es im Haushalt gibt. Einreden des Ichs (»Ich muß noch etwas für die Familie zurückhalten...« /»Man darf nicht alles auf einmal vergeuden...«) werden systematisch überhört! Der Gast ist –im hohen Sinne– »König«, und dieser wird uneingeschränkt mit vollen Händen geehrt, denn nur so ist das Herz des Gastgebers vor dessen eigenen Dünkeln und Zweifeln zu retten.

WAS WIRD GEGESSEN? Die Frage ist: Welche Nahrungsmittel sind für das Herz am besten? Hier gelten folgende Empfehlungen: 1. Gegen Herzens-Schwäche: Bitterorangen, Zitronen (zehn Minuten nach dem Essen zu sich nehmen!), Äpfel, Pistazien mit Eidotter zusammen gegessen, Melonen. 2. Gegen Herz-Druck: Granatapfel (es heißt: »Wer einen Granatapfel ißt, dessen Herz wird sich für vierzig Tage erleichtern«), Quitten (es heißt: »Quitten zu essen, macht das Herz von Schwangeren froh«). 3. Gegen Herzklopfen: einen Granatapfel essen. 4. Bei Herz-Überhitzung: Milch trinken. 5. Bei Herzens-Verhärtung: Linsen, Datteln, weniger Fleisch und insgesamt weniger essen! Gut tun dem Herzen auch: Basilikum, Fenchel, Honig und Datteln.

AUSTEILEN Zur Nahrung der Gäste gehört (natürlich im übertragenen Sinne) vor allem auch: der Gastgeber. Die Liebe des Gastgebers gestaltet den ganzen Essensablauf. Er kocht mit Liebe. Er trägt –ganz liebevoll– die Mahlzeit auf. Er teilt (bei nicht gemeinschaftlicher Schüssel) dienend wie liebend das nährende Mahl aus. Im Sufitum ist alles das ein Almosen-Geben. Ist der Kreis der Gäste zu groß, dann wird das Essen im Kreise links herum (entgegen dem Uhrzeigersinn!) ausgeteilt. Den neben einem sitzenden Brüdern und Schwestern herzhaft und herzlich Leckerbissen in den Mund zu stecken, ist nach HerzensBelieben erlaubt. Es darf gefüttert werden! Vor allem Süßigkeiten werden solcherart sehr gerne verteilt.

DIE FASTENPFLICHT ALS BESTE, HERZENS-MEDIZIN Dem Herzen förderliche Nahrung zu essen ist gut. Doch das allein genügt nicht, um den Widerstand des Herzens (zum Meer der Liebe hin) zu brechen. Regelmäßiges Fasten tut not. Das ermöglicht nämlich, die Schwäche der Seele und des Körpers zu »schmecken«, denn eine ständige Verfügbarkeit (über Lebensmittel, Ablenkung und Luxus) läßt die Stimme des Herzens verstummen – und macht sie »tot«. Fasten erleichtert es, die Mauern der Überheblichkeit, der Arroganz, des Stolzes –der Einbildung– einzureißen. Das Eigentliche, Primäre kommt wieder zum Vorschein. Die Nähe zu sich selbst wird neu »in Kauf genommen«. Die Selbsthingabe wagt sich aus ihrer »gepanzerten« Scheu hervor. Fasten-Dienst ist Herzens-Erweiterung und fördert die Vertrautheit mit dem Herzen.

WOVON UND WANN GEFASTET WIRD »Wenig Essen, wenig Schlaf, und wenig Reden«– das gilt im HerzensSystem der Sufis als wesentlich. Wovon die Sufis (auf dem spirituellen Weg) fasten: 1. Vom Essen 2. Vom Trinken 3. Vom Speichelschlucken 4. Vom sexuellen Verkehr (Küssen allerdings ist erlaubt) 5. Vom (ausgiebigen) Baden 6. Von harschen, negativen Worten 7. Von schlechten Gefühlen 8. Von schlechten Gedanken 9. Wenn möglich: von sich selbst Die Punkte l, 2, 3, 4 sind obligatorisch. Die anderen: wenn man kann. Zu welchen Zeiten sie fasten: 1. Im Fastenmonat Ramadan Für Anfänger gilt: Gefastet wird von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, höchstens jedoch zwölf Stunden am Tag. 2. An Montagen und Donnerstagen Dieser Brauch wird mehr von Fortgeschrittenen gepflegt. 3. Jeweils am 13., 14. und 15. Tag des Mondzyklus. Das heißt um den Tag des Vollmonds herum.

Diese Fastentage sind vor allem für gefühlsintensive Menschen zu empfehlen. Wie die Sufis ihre Fasten-Tage brechen: Nach dem Sonnenuntergang (die Uhrzeit ist der Tageszeitung zu entnehmen) wird 1. Ein kleines Gläschen mit Wasser oder Milch oder Wasser mit Milch oder auch Tee zu sich genommen. 2. Dazu ißt man ein oder zwei Datteln, ein paar Mandeln oder ein kleines Gebäck oder sonst etwas Kleines. Dann folgt ein Gebet. Erst dann nimmt man ein größeres Mahl zu sich.

DAS HERZ ZUM LACHEN ANREGEN Eine Ausnahme vom Sufi-Prinzip, auf Rauschmittel zu verzichten, bildet für alle, die sich mit Herzens-Angelegenheiten beschäftigen, folgender kleine Hinweis auf eine herzensbelebende »Droge«. Es geht um den rotgoldenen Safran. Frische Safran-Fädchen, langsam im Munde zerkaut, vollbringen Herzens-Wunder! Doch hier eine Warnung: Niemals mehr als zwei Gramm! an einem Tag einnehmen, denn das würde zu einem unaufhörlichen Lachen führen. Das Herz wäre zu sehr erregt. Doch jedes halbe Gramm wird Ihrem Herzen Freude geben... eine wahre Medizin der Herzens-Freude für den Alltag.

DANK-SAGEN Das Dank-Sagen gehört zu jedem Herzens-Mahl dazu. Dank-Sagen heißt: die Nahrung als gottgeschaffen zu erkennen. Und: »die (genährten) Menschen als Gottes Familie« (so Rumi) anzuerkennen. Zumal, da für »Segen Dank zu sagen den Segen vermehrt«. Aus diesem tiefen See der Weisheit nähren sich die wissenden Menschen. Wie anders doch diese gute Lebens-Art ist als die, über diesen großen Nutzen leichtfertig hinwegzurennen, denn auch das Herz, das Gemüt, »verdaut«. Und der Dank verschafft diesem Wonnegefühle...

V DIE BESTE HERZENS-KLEIDUNG

DIE WOLLE IM SUFITUM Sufi stammt (vielleicht) von »suf« - und das heißt »Wolle«. Die SufiLehre besagt: Die Propheten und Weisen haben »Wolle getragen«. Ein Sufi liebt und trägt gerne Wolle. Das Wollgewand ist ihm Symbol, denn das Schaf, vom dem die Wolle stammt, ist genügsam, mit wenig Raum zufrieden, hingabefähig, gesellig, geduldig. Und das sind Eigenschaften, die der Sufi sich »anzieht«. Dazu kommt: Wolle schützt gegen Hitze wie auch Kälte am besten. Und sie entwölkt das Herz! Und noch etwas Wichtiges: Sie isoliert nicht wie andere Stoffe (zum Beispiel Seide) den Menschen vom Menschen. Aus diesen Gründen wird die Wolle von den Derwischen und Sufis als Kleidungsstoff bevorzugt.

DER GRUND DER BEDECKUNG Das Unsichtbare gilt viel für den Sufi. Auch das Subtile bedeutet ihm viel. Unsichtbar ist zum Beispiel, wie Neid und Eifersucht von einer Person zu einer anderen »schießt«. Zu den feinstofflichen Wegen gehört, wie die Aura den Körper des Menschen »umspielt«. In beiden Dingen weiß der Sufi sich zu schützen: sowohl die eigene Aura als auch sich selbst, wenn negative Gefühle von einem anderen Menschen auf ihn eindringen. Das ist der Grund, warum ein Sufi seine Mitmenschen zum Beispiel nicht mit extravaganten gestylten und teuren oder neckischen Anzügen sowie Kleidern provoziert. Aus demselben Grund vermeidet er sexuell provozierende Kleidung, denn die seelische Projektion eines anderen Menschen vermag außerordentlich viel! Darum bedeckt sich der Sufi, so gut und so weit das eben geht. Die Leichtigkeit der Kleidung muß darunter keineswegs leiden. Die Eleganz wird gar gefördert durch diesen klassischen und würdevollen Stil.

DIE ARTEN DER BEDECKUNG Das Wichtigste an der Bedeckung ist: Der Mensch bewahrt die eigene Intimität mit sich selbst. Er liefert sich nicht »unbedeckt« aus. Die Stimme seines Herzens »plaudert« nicht. Er hat das Recht sowie die Möglichkeit, bei sich zu bleiben. Ein jedes demonstrative Gehabe entfällt. Für den Sufi (auf dem Weg), den Herzens-Erstreber, sollten würdevoll bedeckt sein: das Haar, alle sexuellen Körperteile. Weite Kleidung ist empfehlenswert! Das Herz braucht überdies Raum zur Entfaltung. Die »sexuelle Musterung« fällt weg. Das alles gilt als Empfehlung – für Menschen auf dem Weg, denn Sufitum ist kein System von Zwängen.

DIE HAAR- UND KOPFBEDECKUNG Es gibt drei Gründe, die ausschlaggebend dafür sind, daß der Sufi den Kopf beziehungsweise die Haare bedeckt: 1. An den Schläfen und der Fontanelle befinden sich jeweils feinstoffliche Organe, die der Sufi kunstvoll benützt. 2. Mit der Einheit der Bedeckung (Kopftuch, Mütze, Turban, Hut) wird die Vielheit der Haare bedeckt. 3. Die Kopfbedeckung schützt die Aura des Kopfes. Es ist leicht nachzuvollziehen, wieviel Sicherheit uns ein Mantel gibt. Im Grunde erfüllt jede Kleidung diesen Zweck. Das fühlbar starke Nacktsein wird bedeckt, denn nackt zu sein heißt, daß das Herz heftiger pocht. Bedeckt kann das Herz ruhiger schlagen! Auch das Herz möchte entspannt sein!

4. Der Turban für Männer. Von Goethe stammt das Wort: DIE ARTEN DER KOPF- UND HAARBEDECKUNG Für den Sufi haben Haar- und Kopfbedeckung nicht die Funktion, vor Temperatur und Wetter zu schützen. Sie sind ein Ausdruck der Entwicklungsstufe des Herzens. Die jeweiligen Farben wählt man nach ihrer Bedeutung: Weiß: Anfang, Einfachheit, Gesetzestreue, Unschuld. Schwarz: Entwordenheit, Gestorbenheit, Ergebenheit und Erduldung. Rot: Stärke, Beherrschung und Fülle. Grün: Weisheit und Wirklichkeit. Grau: Integration. Violett: versinnbildlicht Erlösung und (göttliche) »Stimme«. So ist in der Farbe ein Symbol! Hier nun die Arten der Sufi-Kopfbedeckung: 1. Das Kopftuch für Männer und Frauen. Es ist der beste Schutz im Zustand der Sublimität. Es ist vor allem nach Tagen der Einkehr vonnöten. 2. Die »Krone« oder Mütze - für Männer. Sie gilt als Schmuck und Zeichen des Herzens, sie muß bis zum Schläfen-Ring (das Band um den Kopf, das die Seele festhält) herunterragen, damit sie ihren Zweck erfüllt. 3. Der Filzhut für Männer. Er gilt als Grab- und Herzens-Zeichen. Der Filz ist nahtlos, wie auch ein Sufi sein sollte. Seine Höhe entspricht der geistigen Größe des Herzens. Sie ist ein Sinnbild der Arbeit am Herzen. »Der Turban erst, der besser schmückt als alle Kaiserkronen ...« Die Sufis nennen den Turban »Vollendung«. Er ist das Leichentuch und gemahnt an den Tod. Er soll zugleich das Herz erweichen und binden. Er legt die Würde des Mannes würdevoll bloß. Seine Länge entspricht der Weite des Herzens. Engherzigkeit versetzt er einen »tödlichen« Stoß ...

DER SUFI-DERWISCH-MANTEL Das freie und doch geschützte Herz wird vom Mantel versinnbildlicht. Es ist ein Mantel ohne Knöpfe Löcher Gürtel Schnallen.

DIE HERZENS-PANTINEN Als »deren Herzen weich geworden sind« – so werden die Sufis bezeichnet. Geschmeidigkeit des Herzens – das ist Ergebnis ihres Weges. Auch das »Fußfassen« und Gehen wird bei den Sufis vom Herzen bestimmt. Sanftmut tut auch den Füßen gut, denn auch Füße können fühlen. Üblicherweise sind die Füße auch zu Hause in feste Formen eingezwängt: in Pantoffeln und Pantinen. Bei den Sufis sind dagegen die eigenartigsten Schuh-Häute zu finden: ein regelrechtes Schuh-Kleid, das sich, wie ein Herz, an die Füße des Derwischs anschmiegt. Es sind die sogenannten »houfs«, die sich jeder Bewegung des Fußes anschmiegen. Das Herz darf sich »räuspern« und strecken.

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Ein Sufi trägt den Mantel offen, auf daß das Bedeckte zum Vorscheinen kommt. Der Mantel ist nur mit einem Tuch zusammenzubinden, das sich leicht und einfach lösen läßt. Die Form ist bei einem Sufi nur leicht und locker übergelegt. Je nach Bedarf mag sie verschwinden...

AUCH MÄNNER TRAGEN KLEIDER Die Hose gilt als von den Derwischen erfunden. Wenn man so will: um besser zu »tanzen«. Ansonsten tragen auch Männer ein Kleid. Es umhüllt in einem Stück. Es macht den Mann ein Stück weiblicher. Auf den weiblichen Aspekt –die innere Schönheit– verzichtet ein Sufi/Derwisch nicht. Diese Schönheit krönt die Majestät. »Gott liebt die Schönheit und ist schön.« Auch weite Blousons trägt ein Sufi gerne. Die Farbe weiß wird dabei bevorzugt. Wenn Hosen getragen werden, dann weite. – So weit wie die Herzens-Welt des Derwischs und Sufis.

DES SUFIS PERLENKETTE Sie ist des Sufi/Derwischs Schmuck: die »tesbeh« (wörtlich: »Lobpreisung«) oder Perlenkette. Sie dient der GöttlichkeitsErinnerung. Mit ihrer Hilfe rezitiert der Sufi die »göttlichen Namen« als Litanei und Wiederholungen (siehe auch “Das Zählen mit den Fingern’). Die Kette hat 3 x 3 = 99 Perlen. Aus der hundertsten Perle der Kette erwächst der Buchstabe »Alif« = »A«. Er ist ein Symbol für die höchste göttliche Eigenschaft des Menschen, für die Einheit des Mensehen mit Gott. Jede Perle kündet von der Liebe Gottes zum Menschen. Und das Ergreifen einer jeden Perle durch den Derwisch und Sufi ist zugleich ein Gedenken an die Liebe zum Schöpfer. Es ist ein »Liebes-Spiel«, wenn die Perlen durch die eilfertigen Hände gleiten; zumal die »Perle« selbst den »Schatz in der Tiefe des Herzens« symbolisiert.

DAS HERZ ALS ORGAN DER GEISTIGEN WANDLUNG Für den Sufi ist das Herz das Organ, durch das die Transformation des Menschen geschieht: vom »sprechenden Tier« zum »göttlichen, vollkommenen Menschen«. So sagt eine Sufi-Weisheit: »Nicht die Augen, sondern die Herzen sind blind.« Das bedeutet, daß das Herz unentdeckt geblieben ist. Die HerzensPolitur, die Ausschöpfung des Herzens fehlt. Das Herz ist als Sinnesund Lebensorgan zentral. Und jene, die nicht »Herzen haben«, sind sufisch gesehen keine (entwickelten) Menschen. Darum gilt es, dorthin aufzubrechen und den wirklichen Sinn des königlichen Herzens in sich selbst zu entdecken!

VI DIE REINIGUNG DES HERZENS

DIE SUFI-POLITUR DES HERZENS »Es gibt eine Politur für einen jeden Rost. Und die Politur des Herzens ist die Erinnerung Gottes«, - so heißt ein prophetischer Ausspruch. Das Herz des Menschen ist verschleiert. Mißbrauch und Nichtgebrauch haben es unzugänglich gemacht. Das kulturelle Lernen führt weit vom Herzen weg. Die Übung des Herzens ist die Sufi-Methode schlechthin. Das Herz wird systematisch angeregt. Die Göttlichkeit des Herzens, der Herzens-Ursprung wird erinnert. Das Herz wird wieder schöpferisch gemacht. Der Sufi will im Herzen die »Leiter« zur höchsten Göttlichkeit »erklimmen«. Erinnerung an Gott ist das, was methodisch auf die Wiederbelebung der göttlichen Eigenschaften des einzelnen zielt. Sei es (zum Beispiel): Die Schönheit, Majestät; die Feinheit, Wahrheit, Stärke, Milde; die Liebe und Barmherzigkeit; Erhabenheit und Friede. All das und viel mehr wird auf dem Sufi-Wege wieder entdeckt. Jedwedes »verschüttete« Leben –und vor allem die Liebe!– wird systematisch aufgedeckt.

DER SUFISCHE SIKR Die Göttlichkeits-Erinnerung heißt bei den Sufis »Sikr«. Der Sikr wird systematisch geübt. Ohne Sikr gibt es keinen Weg zu den tieferen Schichten. Ohne Sikr gibt es keine Liebe, denn alle wahre Liebe ist durch abgestandene Schichten überlagert. Beim Sikr machen der Körper die Zunge das Herz die Seele und die Atmung mit, denn »das Sikr ist größer [selbst] als das Gebet«. Gefühle und Gedanken sind beteiligt. Wenn nur eines davon »bremst«, geschieht im Sinne einer Wirkung nichts. Der Mensch erinnert sich ganz – oder gar nicht. Wenn der Verstand dies »torpediert«, ist die Liebe getrübt; und der Atem »unterdrückt« das Gefühl. Aus diesem Grunde bewegt ein Sufi und Derwisch sich ganz und nimmt alles auf die »Reise« seiner Gottes-Erinnerung mit ...

DIE RECHTE BESCHLEUNIGUNG FÜR DIE LIEBE, DAS LEBEN UND DIE GÖTTLICHKEIT Die Lehre der Sufis besagt, daß »sieben Erden« sowie »sieben Himmel« ihre eigene »Geschwindigkeit« haben. Das Herz will in die höchsten Himmel ragen - während das Ich sein Streben »bremst«. Der Unterschied zwischen diesen Geschwindigkeiten und zwischen den einzelnen »Teilen« des Menschen wird zum Herd von Unruhe. Die Liebe zum Beispiel ist »schnell« und will sich nicht »einfangen« lassen, wohingegen der Verstand das Gefühl und die Liebe nur allzu gerne »kontrolliert«. Die Sufi-Methode verlangt, alles der Geschwindigkeit der Liebe »anzupassen«: eine Beschleunigung ohne Grenzen! Nur in dieser »Rasanz« wird der Sufi-Aspirant –der Liebes-Reisende– zur Einheit.

DIE SUFISCHE ANRUFUNGS-FORMEN Erinnerung ist Liebes-Akt – sofern man sich des Guten erinnert. Für einen Sufi ist das Beste Gott, da Gott Selbst der »Liebende« ist. In Sufi-Worten: Ya Wadudu Der »Sich-in-Liebe-Nähernde« Sie erhalten hier Erlaubnis, diesen »Namen Gottes« –dieses »Mantra«– (die Sufis sagen: »Wasifa«) täglich 100 mal oder 240 mal hintereinander als Gottes-/Göttlichkeits-Erinnerung laut oder halblaut aufzusagen. Die Dauer dafür liegt bei Ihnen; die Mindestdauer jedoch liegt bei 40 Anrufungs-Tagen.

Der Körper bewegt sich dabei rhythmisch wie folgt: 1. zur rechten Seite hin nach vorn 2. zurück zur rechten Seite nach hinten

3. zur linken Seite nach vorn 4. zur linken Seite nach hinten 5. wieder zur rechten Seite nach vorn und so weiter.

DIE WASCHUNG UND ERFRISCHUNG Das »A« und »O« der Sufi-»Technik« ist die rituelle Waschung. Sie klärt das Herz ein jedes Mal neu. Sie ist vor jedem Gebet und jeder Übung zu machen: 1. Der Wasserhahn wird aufgedreht. 2. Die Hände werden dreimal unter dem fließenden Wasser gegeneinander gerieben. 3. Die rechte Hand fängt Wasser auf, mit dem der Mund dreimal gespült wird. Gurgeln (und ähnliches) sollte unterlassen werden. 4. Die rechte Hand fängt Wasser auf und bringt es zur Nase. 5. Durch die Nase wird das Wasser hochgezogen. Dann wird das Wasser ausgeschneuzt. Zuerst durch das rechte Nasenloch, während der linke Daumen das linke Nasenloch verschließt. Jetzt folgt das rechte Nasenloch, wobei der linke Zeigefinger das rechte Nasenloch verschließt. 6. Es folgt nun die Waschung des ganzen Gesichts: dreimal mit beiden wasserführenden Händen. 7. Männer waschen sodann das Barthaar. Auch die Haarpartie darunter muß naß sein. 8. Der rechte Arm wird dann dreimal gewaschen: vom Handgelenk bis zum Ellenbogen. 9. Der linke Arm wird dreimal gewaschen: vom Handgelenk bis zum Ellenbogen. 10. Nun folgt ein einmaliges leichtes Abstreifen der nassen Hände über das Haar. 11. Dann das Abstreifen der nassen Hände an Hals und Nacken– einmal.Hierfür werden die Handrücken verwendet, wie die Abbildung zeigt:

12. Es folgt die rituelle Reinigung der Ohren. Innen wie außen. Die Ohren werden gleichzeitig gewaschen. Die Zeigefinger gehen dabei in die Ohren, die Daumen streichen hinter die Ohren: 13. Der rechte Fuß wird unter das fließende Wasser gehalten. Er wird mit der linken Hand dreimal gewaschen; auch zwischen den Zehen und bis zum Knöchel. 14. Der linke Fuß wird analog mit der rechten Hand gewaschen. 15. Die Waschung ist beendet. Noch eins: Während dieser Waschung wird ein kleiner Satz wiederholend - gesprochen: »Bismillah ir-rachman ir-rachiem« (Siehe auch weiter oben).

Diese Übung wird immer dann praktiziert, wenn das Herz (zum Beispiel durch Wut, Aggressivität, Negativität, Zweifel und ähnliches) gekränkt ist, da das Wasser an die Ursprünglichkeit, wenn man so will, an den »Fluß« des Herzens erinnert.

DER LIEBESTANZ DER SUFIS Als »wirbelnde Tänzer« sind die Derwische und Sufis bekannt. Ihr »Drehtanz« gilt als der »vollkommenste Tanz«. Man sieht die Derwische –sich drehend– den Meister umkreisen, wie ein Planet seine Sonne umtanzt. Die Bedeutung dieses Tanzes ist folgende: Die Namen Gottes (seine Eigenschaften) »kreisen« um das Wesen Gottes. Die erinnerten göttlichen Qualitäten sind nahe der menschlichen Identität. Die Einheit ist zum Greifen nahe! Zu lieben heißt zu »strudeln«. Wie ein Sufi-Meister es sagt: »Um einen Punkt, den niemand versteht, ewig zu kreisen«. Dieser »Punkt« ist die Schöpfungs-»Verwirrung« – »hayrah«. Der »Tänzer« legt den Kopf zur rechten Seite, auf daß das Herz sich öffnen kann! Sodann dreht er sich links herum! Und dreht sich, bei jedem Takt, um ein Viertel des Kreises. Er ruft dabei die Gottheit an. »Huu« – »Gott ist!« ist dabei seine Lobpreisung der Liebe. Sich drehend und tanzend Gott näherzukommen – das ist es, worum sich der Sufi-Tanz dreht; die Trägheit der Schöpfung überwinden; erlöst zu sein von jeglicher Geschaffenheit; den Rausch der Liebe zu verkünden. Doch eine Warnung hier: Diese Übung darf nur unter Beisein eines SufiSheykhs - eines Meistersausgeübt werden! Im schlimmsten Falle könnte die Seele sonst nicht wiederkehren; und der Tanzende stirbt...

ÜBEREIGNUNG UND ÜBERSCHREIBUNG Zu Gott gewandt sprach Ali Al-Jamal von Fez, der Sufi: »Wenn Deine Liebe sich bewahrheiten sollte, dann ist –wahrlich– alles einfach.« Sich vom Komplizierten zu lösen, erleichtert das Lieben. Verstricktheit bindet den Haß. Aus diesen Gründen sind die Sufis gewohnt, alles –selbst die Verantwortung für ihr Schicksal– dem Schöpfer ihrer selbst zurückzugeben. Sie sagen: »Du bist der Starke«. »Doch ich, der Mensch, bin schwach.« »Auch bist Du schön. Doch häßlich bin ich.« »Dumm bin ich, wenn Du der Wissende bist.« »[Selbst] der Erinnernde bist Du. Während der Mensch ein Vergeßlicher ist.« Alles, was man selbst sein muß, ist Last. Die Lasten gilt es »abzuwerfen«. So überschreibt der Sufi sich Gott und übereignet ihm sein geliehenes Leben. Diese Sufi-Lebensart steht allem Positivismus, aller Selbstzueignung, Selbstzuerkennung und Überheblichkeit bezüglich der eigenen Stellung entgegen, denn ein Sufi will etwas ganz anderes als das, was der oberflächliche Mensch mit seinem zugeschnürten Lächeln stolz und eitel »Liebe« nennt... Liebe im sufischen Sinne ist HerzensEkstase ...

SICH EINEM LEHRER ANVERTRAUEN »Die Gemeinschaft der Liebenden unterscheidet sich von den anderen« – das sagte ein Meister der Liebe. Ein Meister ist der Geliebte, während die »Schüler« der Liebe die Liebenden sind, denn es steht geschrieben: »Nicht Bücher enthalten die Heilung des Herzens. Welchselbes Heilung man nur bei Herzens-Meistern findet.« Der Meister enteignet den Schüler von allen jenen »Ketten«, die dieser sich selbst angelegt hat, vor allem: von den Ketten der Liebe. Der Meister löst die Fesseln des Ichs. Es ist ein Prozeß des sich Verlierens in ein Herz, das keinerlei persönliches Interesse an jedweder »Ausnutzung« hat. Es sei denn dieses: Liebe und nochmals Liebe zu geben...

ALMOSEN GEBEN Zu lieben heißt für den Sufi, sich selbst und anderen »Almosen« geben. Ein Almosen ist: Ein gutes, von Herzen kommendes Wort. Eine kleine Geste vom Herzen. Ein Wink des Verzeihens, Den, der verstockt ist, zum Lächeln zu bringen. Küssen, Schmusen, Liebkosen gehören auch dazu. Auch: die Liebe zu lieben. Und auch: geduldig bei der eigenen Geduld zu verweilen, denn im Weilen entdeckt man die Liebe. Nur dem, der regelmäßig Almosen gibt, wird Gott ein großes Herz gewähren. Und allein das ergibt auch große Liebe.

DAS GEBEN VON BESITZ ZUM ZWECK DER LIEBE Besitz macht zwangsläufig besessen, bedeckt, belegt und verdrängt die Liebe, denn wahre Liebe bewirkt nur Geben. »Haben« indessen unterdrückt den Fluß der Liebe. »Haben« blockiert die Bewegung! Der »Schwung« der Liebe erstarrt wie hypnotisiert. Aus diesem Grund wird im Sufismus ausschließlich das Geben empfohlen. Und jedes »Haben« wird (leicht) reglementiert. Zumindest in Form einer Empfehlung, da es Befehle oder dergleichen bei den Sufis nicht gibt, denn auch solches bedrängte die Liebe. Das Beste am Besitzen ist, es leichten Herzens wegzugeben, damit sich das Liebesband löst.

BEREUEN Die Reue ist das »Lösungs-Bad« der Liebe. Alle »Verstocktheit« und »Beflecktheit« wird entfernt. Die Reue ist bei den Sufis tägliche Pflicht. Mindestens siebzig- oder hundertmal am Tag wird Gott um die Annahme der Reue gebeten. Bereuen heißt für den Sufi: zu erkennen, sich selber verloren zu haben! Man kann auch sagen: von sich selber »fremdgegangen«, durch sich selber entfremdet worden zu sein! Bereuen heißt: die Unbedachtsamkeit zu tilgen! Zur Identität zurückzukehren. Für den, der das will, sei hier die Sufi-Formel des Bereuens gegeben: Siebzig- oder hundertmal täglich: »Verzeih uns Gott« - »Astarch-firullah «

VERZICHTEN Die Liebe besteht daraus, weniger zu werden. Immer weniger zu haben – und stattdessen mehr zu sein. Der große Dichter Rumi sagte: »[Nur] das Wissen des Herzens ist ein Freund.« Anderes Wissen türmt sich zu Lasten. Nur was der Mensch im Herzen trägt, ist angenehm zu tragen. Nur der Besitz des Herzens macht frei. Der Liebes-Weg besteht darin, sich zu begnügen, sich mit dem Höchsten und dem Besten zu begnügen. Da wahrlich nichts größer ist als die Liebe und das Leben. Der Sufi (auf dem spirituellen Weg) will sich nicht mit weniger als dem Besten und Höchsten des Lebens begnügen, da er am ungenügsamsten ist. Auf Niederes kann er gerne verzichten, mag auch die Menge danach »grapschen«, doch alles Wichtige verlangt er konsequent! Verzichten bedeutet für den Sufi: Alles Nebensächliche zugunsten des Wesentlichen beiseite zu lassen. Alle Störung zu negieren. Auf dem Fest der Liebe Tag und Nacht zu »tanzen«...

VII DES SUFIS HERZENSHÖFLICHKEIT

ÜBER LIEBE UND FORM Des Sufis Liebe ist Legende. Doch seine Höflichkeit auch: die SufiForm des liebenden Handelns, denn Liebe besteht auch aus Form. Äußere Formen indes verschwinden, weshalb der Sufi Rumi uns ermahnt: »Du solltest auf die Liebe zu äußeren Formen verzichten! Da von äußerem Gesicht und äußerer Form deine Liebe nicht abhängig ist.« »Warum verwirfst du [eines Tages] die Form, die dich in Liebe versetzte?« Es folgt hieraus die wichtigste Lehre: Die Formen nicht zu lieben, doch durch die Formen der Liebe zu wirken. Der Kanon der Formen der Liebe heißt bei den Sufis adab. Dies ist die feinste Lebensart. Kultische Eleganz, um das Herz zu verwöhnen. Rituell –und als Kunst– aus dem Herzen zu leben. Das Herz zum »Dirigenten« des förmlichen Tuns zu erheben. Die HerzensMeisterschaft zu pflegen. Mit jeder Tat und durch jedes Tun HerzensWinke zu geben. Über all dieser sufischen Höflichkeit steht: »Das Herz ist perfekt!«

DAS SINNBILD DER ROSE Die Schönste der Schönheit - trotz Stacheln und Dornen: das ist die Königin der Blumen. Möge sie Ihnen als Lehrerin dienen mit dem Hinweis: Trotz mancher Fehler und Schwächen noch die schönste »Höflichkeits-Blüte« zu zeigen! Zur Erinnerung für Sie: Stellen Sie eine frische (rote oder gelbe) Rose auf Ihren Schreiboder Arbeitstisch vor sich. Erneuern Sie sie, sobald sie alt geworden ist. Werden Sie selber zur »Rose« ...

DIE LIEBE IST »UNTER DEN FÜSSEN DER MÜTTER« ZU FINDEN Die Liebe ist ein Wechselspiel. Sie ist ein »Echo« auf uns selbst. Wir lieben, um geliebt zu werden. Je mehr wir lieben, desto mehr an Liebe kehrt wieder. Die sufische Lehre besagt: »Das Paradies ist unter den Füßen der Mütter zu finden.« Dort wird der Selbst-Haß ausgeräumt. Sich dem ermahnenden, richtenden »Wesen« hingeben; die Rebellion aufgeben; die eigene Herkunft anerkennen. Die göttliche Weisheit nicht mehr durch Besserwisserei zu stören. Das ist die höchste Form aller Höflichkeit! Das ist das Tal der Liebe und Milde. Das sind: die Formen der Ergebenheit. Es ist für den Sufi ein Muß: den Stolz, die Arroganz zu überwinden ...

SIEBZIG ENTSCHULDIGUNGEN FINDEN Ein großer Sufi-Alchimist war es, der die Empfehlung gab, siebzig ernsthafte Entschuldigungen für jeden offensichtlichen Fehler von Brüdern und Schwestern zu finden– immer das Herz zum anderen hin –nicht von ihm fort– zu wenden– Wenn trotz dieser siebzig Entschuldigungen noch immer die Meinung besteht, der andere sei schuld, ... sich selbst alle Schuld zu geben. Ein solches Tun ist wahres Sufitum.

FÜR ANDERE UM VERZEIHUNG BITTEN Zum guten Sufi-Sein gehört, für andere bei Gott um Verzeihung zu bitten, denn die Menschen sind in Wirklichkeit eins. Wer anderen hilft, der hilft sich selbst. Hierdurch ließe sich das Wesen eines Sufis treffend bestimmen. Dieser Liebes-Imperativ ist das allerbeste Antidot, das Gegengift gegen die ichhaften Gifte: mehr noch als nur durch Mitgefühl - aus Einssein mit allen Menschen zu handeln.

GESCHENKE ÜBERBRINGEN Zur Pflege der Liebe gehört, Geschenke mitzubringen, denn: »Geschenke, die Freunde sich machen, sind nichts denn Hinweis und Zeichen! Äußerlich ein Zeugnis von der im Herzen verborgenen Liebe zu geben...« Machen Sie das Geschenke-Bringen zu Ihrer persönlichen Regel. Gönnen Sie Ihrem Herzen –trotz aller Verstandeseinwände– vor Freude am Schenken ein wenig zu »hüpfen«. Schenken Sie Ihren Brüdern, Schwestern oder Freunden etwas Gutes zum Essen – einige Früchte. Vor allem jedoch: Seien Sie bemüht, durch Ihren Besuch einen förderlichen, positiven Zustand zu überbringen. Was umgekehrt heißt: Kehren Sie, wenn es nur geht, niemals mit schlechter Laune in Ihrer Freunde Häuser ein!

DER LIEBESTAUSCH IM UNSICHTBAREN Das Herz ist dem Sufi ein »Heiligtum«. Es ist sein »Schatz« sowie seine »Sendestation«. Doch die Sprache des Herzens muß jeder Mensch lernen. Der Sufi liebt das Herzens-Gespräch, denn die Zunge des »Ichs« sagt häufig nur Böses. Die Zunge und das Herz - sie können nicht gleichzeitig reden. Ergreift das Herz das Wort, muß jede Zunge schweigen! Als Test, um die Sprache der Zunge zu meiden, gilt: nur das Gute zu sagen, über das Schlechte zu schweigen und zum Erlaubten aufzufordern. Der Seele wird derweil geboten, sich auch des (guten) Ratschlags zu schämen! So daß die Höflichkeit die Zunge, das Herz, die Seele betrifft. Jedes menschliche Vermögen erhält im Sufitum die Art der Höflichkeit, die ihm – zum Nutzen der Liebe – am besten entspricht. Nur so kann der Austausch von Liebe im Unsichtbaren gelingen. Was bedeutet, daß das Herz zum Herzen ungestört spricht.

DIE HERZENS-EINKEHR Gott, der Erhabene, spricht: »Himmel und Berge umfassen Mich nicht. Doch das Herz meines gläubigen Dieners umfaßt Mich.« Welch unübertreffliche Stellung des Herzens! Wer das Göttliche sucht, der kann nicht umhin, ins eigene Herz einzukehren; doch ein Sufi ist darauf bedacht, im Herzen auch des anderen zu leben –metaphorisch wie praktisch– als Erlebensprozeß. Den »Laser« des Herzens auf andere Herzen zu richten. Sich »einzubrennen« ins andere Herz. Wo andere die Liebe als Leibes-Vereinigung pflegen - da vereinigt der Sufi sein Herz. Wie das, nach welchem Verfahren dies geschieht, darüber kann diese Schrift kaum mehr Auskünfte geben. Doch daß das geschieht, wird im Sufitum garantiert. Entscheidend ist dabei, den Umgang allein mit gereinigten Herzen zu pflegen. Ein Meister-Herz muß dafür Ansprechpartner sein. Mit diesem vollzieht sich die Herzens-Verzahnung.

HERZENS-VERZAHNUNG Das Herz wird ausgelöscht in einem anderen Herzen. Da ist die Alchimie der Herzens- Verschmelzung! Methodisch vollzieht sich das wie folgt: 1. Der Herzens-Schüler konzentriert sein Herz auf das Bild seines Meisters. Ein Foto von diesem genügt. (Wer will, mag meines dafür nehmen! - Bis er zu »seinem« Meister findet. Siehe Buchrücken.) 2. Er sucht (in sich!) des Meisters Herz. 3. Er ist bemüht, die beiden Herzen zu verbinden. Zwei, drei Minuten genügen dafür. 4. Dann übt er halblaut oder laut diesen sufischen Sikr (siehe auch »Der sufische Sikr«): »Keine Gottheit, es sei denn Allah« »La ilaha illa ‘Llah« 5. Der Körper »tanzt« derweil rhythmisch mit. (Siehe auch »Die sufischen Anrufungsformen«) 6. Diese Übung dauert fünf Minuten. 7. Entspannen Sie sich danach - und werden sie empfänglich...

EINS UND DERSELBE »Wohin das Auge blickt - da ist nur Er ...« – Für den Sufi ist alles DER EINE / DER SELBE. Alles wird zu eins gemacht - ist erst das Herz der Liebe erwacht. Auch Du bist der Eine / Derselbe! Desto mehr an Einheit - und Einssein -, desto mehr wächst die Liebe. Darum hier, zum Abschluß, noch diese kleine/große Übung: Betrachten Sie alles, was Sie je sehen, als ein und dasselbe! Versuchen Sie es, auch wenn es absurd zu sein scheint. Denn: wie ein Sufi-Ausspruch heißt: »Das Fremdeste ist uns das Allernächste ...«

Leser, die an der Sufi-Praxis interessiert sind, können sich an folgende Adressen wenden: Institut für Sufi-Forschung und Sufi-Förderung Im Klintwinkel l, D-3307 Winnigstedt Telefon 0 53 36 / 83 91 West-Östlicher Diwan e.V. c/o Rebler, Hintergasse 5, D-6277 Bad Camberg / Dombach Telefon 0 64 34 / 80 65 Institut für Sufi-Forschung und Sufi-Förderung Sektion Österreich, Oberleiten 13, A-4881 Straß im Attergau

Steff Steffân, Autor verschiedener andrer Bücher zum Sufismus, genießt als Experte seines Fachs internationale Anerkennung. Als autorisierter SufiLehrer hat er dem deutsch-sprachigen Publikum sowohl traditionelle SufiWege als auch den “modernen Sufismus” vermittelt.

Die Erforschung des Herzens, dieses “unentdeckten Kontinents”, steht im Mittelpunkt des neuen Buches des Sufi-Lehrers und Autors Steff Steffân. Dieses im deutschen Sprachraum einzigartige Buch erschließt Ihnen in zahlreichen praktischen Übungen und Anweisungen den zentralen Sufi-Weg der Herzensschulung. Hier erfahren Sie alles über die Methoden, die seit Jahrtausenden im Sufismus praktiziert werden. Das Ziel ist die Entfaltung des Herzens. Die in der Sufi-Schule der Liebe gegebenen Hinweise und Anregungen werden es Ihnen erleichtern, den Weg des Herzens zu begehen. “Unsere Hoffung ist, daß dieses Büchlein einen Weg in die HerzensLandschaft öffnet” Prof. Dr. Annemarie Schimmel